St. Martin

Die als Wahrzeichen Herrschings geltende St. Martinskirche liegt sehr reizvoll auf einem vom Kienbach umflossenen Hügel inmitten des ummauerten Friedhofs. Das Patrozinium St. Martin deutet auf eine Gründung in fränkisch-karolingischer Zeit. Es wird vermutet, dass es sich um die Eigenkirche des ersten Siedlers Horskeo und seiner Sippe handelte. Die erste urkundliche Erwähnung stammt von 1131/32. Uber den Kirchenbau sind bislang keine genauen Daten bekannt. Rolf Wünnen­berg datiert in seiner Publikation von 1976 die Errichtung der Martinskirche durch das Kloster Benediktbeuren in das Jahr 1248. Wegen fehlender Quellen ist diese Angabe leider nicht nachvollziehbar.

Der schlichte Saalbau von zwei Fensterachsen mit eingezogenem Chor ist wohl noch spätgotisch. Der mächtige, an der Chornordseite errichtete Kirchturm trägt auf dem quadratischen Untergeschoß einen achteckigen Oberbau mit Zwiebelhaube. Der 1687 durch den Dechanten Johann Geyer beim Geistlichen Rat vorgebrachte Antrag auf Errichtung eines Glockenturms könnte sich auf diese oktogonale Aufstockung beziehen. Bei der grundlegenden Restaurierung 1963/64 wurde die Kirche um ein Joch mit Orgelempore nach Westen hin erweitert, unter Weglassung des „Vorzeichens“ mit einem kleinen Ossuarium. Die letzte Renovie­rung fand 1984 statt.

Das Innere der Kirche zeigt eine flache, zartrosa und gelb gefaßte Pilastergliede­rung an den Wänden. Die Flachdecke in Höhe des Chorbogens ist durch Stucklei­sten in vier kassettenartige Felder gegliedert, die um einen mittleren Vierpass ange­ordnet sind. Möglicherweise beziehen sich die Zahlungen an Anton Hueber, Maler zu Oberalting, für die in Fresko ausgeführten „sechs Feldungen“, und einen Maurer in Herrsching, aus den Jahren 1762-64 auf die barocke Uberfor­mung des Innenraums. Der Chorraum von zwei Achsen mit dreiseitigem Schluss ist mit einem Stichkappengewölbe versehen, das höher reicht als die Flachdecke des Kirchenschiffs.

Die im wesentlichen einheitliche Innenausstattung entstammt der ersten Hälfte des 18. Jh. Der Hochaltar (Anfang 18. Jh.) soll von einem Dießener „Kistler“ geschaf­fen worden sein. Das zweigeschossige Retabel zeigt in der von je zwei Wendelsäu­len eingefassten rundbogigen Mittelnische eine thronende Maria mit Kind, um 1880 aus der Mayer’schen Hofkunstanstalt München, auf den seitlichen Konsolen unter Baldachinen die hl. Joachim und Anna. Im Auszug thront die Skulptur des Titelhei­ligen St. Martin, Anfang 16. Jh., dargestellt als Bischof in pontifikaler Gewandung mit Bischofsstab in der rechten und Gans auf der linken Hand. Zur Erklärung die­ses besonders in Oberbayern verbreiteten Attributs, das nicht auf eine Begeben­heit im Leben oder Wirken des Heiligen Bezug nimmt, ist die Legende entstanden, Martin von Tours habe sich in einer Höhle versteckt, um der Bischofswahl zu entge­hen, durch das Geschnatter einer Gans sei er aber entdeckt worden. Wahrschein­licher ist jedoch, daß mit dem Martinstag am 11. November der Abschluß des Wirt­schaftsjahres und der Termin für die Entrichtung der Abgaben (zu denen auch dort, wo Gänsezucht betrieben wurde, Gänse gehörten) verbunden wurde. Den hl. Mar­tin flankieren, auf dem verkröpften Retabel-Gebälk sitzend, zwei Engel in bewegter Haltung. Der linke hält ein Spruchband („Ave Maria“), der rechte ein Lilienszepter – vielleicht Hinweis auf die Verkündigungsgruppe, die nach mündlicher Uberliefe­rung im Zentrum des Altars gestanden haben soll. Links und rechts vom Tabernakel in der Altarpredella stehen die Statuetten des hl. Antonius und des hl. Josef.

Die beiden gleichartigen Seitenaltäre aus der Mitte des 18. Jh. sind mit gemalten Prospekten versehen. Auf dem nördlichen Kreuzaltar steht ein Vesperbild, frühes 17. Jh., auf dem südlichen eine bäuerliche Figur des hl. Sebastian. An den Chor­wänden befinden sich zwölf qualitätvolle Apostelstatuetten, um 1700. Die Kanzel an der nördlichen Längswand zeigt abgebeizte Flachschnitzerei in Spätrenais­sance-Ornamentik, um 1600. In einer Nische unter der Westempore monumentaler Christus in Ketten an der Geißelsäule, Ende 17. Jh. Die ebenfalls unter der Em­pore angebrachte Grabplatte aus Rotmarmor mit dem Wappen der „Hundtsber­ger“ verweist auf den Herrschinger Ortsadel. Erstmals 1514 erscheint ein Edelsitz zu Herrsching im Besitz der Hundtsberger, der 1642 an die Hohenleutner überging. Die Begräbnisstätte der Hundtsberger befand sich ursprünglich neben dem Seba­stiansaltar. In den 1830er Jahren wurde sie geöffnet; der Grabstein kam zunächst auf den Friedhof und wurde nach der Renovierung in den sechziger Jahren wieder in der Kirche aufgestellt.

Auf dem alten Friedhof rund um die Kirche findet sich eine Sammlung alter hand­geschmiedeter Grabkreuze unterschiedlicher Provenienz. Hier haben viele alte Familien aus Herrsching und aus dem untergegangenen Dorf Ramsee ihre letzte Ruhestätte gefunden.

Am Fuße des Kirchbergs wurde 1872 nach dem Feldzug 1870/71 zum Dank für den Sieg über Frankreich und die Einigung des Deutschen Reichs eine Mariensäule aufgestellt. Rund 100 Jahre nach der Einweihung musste die alte Säule einer Stra­ßenerweiterung weichen und wurde an neuer Stelle in neuer Form errichtet. Die ur­sprüngliche Lourdes-Madonna wurde durch eine von Josef Erl ziselierte Bronzesta­tue der Patrona Bavariae nach dem Vorbild der Münchner Mariensäule ersetzt.